Backstage*Tourismus |
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Feedback #1 Gerade um zentrale Aspekte des Backstage zu verdeutlichen, muss in der inhaltlichen Debatte zwischen verschiedenen Formen des Tourismus unterschieden werden, trotz struktureller Parallelen. Nicht nur, was ähnlich ist, sondern gerade auch die Unterschiede zwischen Fernreisen und Reisen in Europa erscheinen uns interessant. Die Frage nach (differenzierender) Macht (nach Terkessidis ein wesentliches Merkmal des Rassismus) und ökonomischer Situation sollte solchen Debatten als Folie zugrunde liegen. Andernfalls droht die Faszination postmoderner Hyperrealität und hybrider Identitätsbildung zur Verklärung und damit zur weiteren Kulissenbildung der Rollen der verschiedenen Akteure und der durch sie definierten sozialen Räume zu werden. So kann die Präsentation und touristische Wahrnehmung solcher Orte wie Hintertux vor dem Hintergrund rechtlicher Gleichberechtigung und ökonomischer Möglichkeiten eher als Spiel zwischen TouristInnen und Bereisten rezipiert werden. Die Hintertuxer müssen sich nicht (mehr) als rückständige BergbewohnerInnen verkaufen, sondern können sich in einer Mischung moderner und postmoderner Elemente einerseits als hochtechnologisierte Eventgemeinden vorstellen, und gleichzeitig quasi augenzwickernd mit den Bildern der idyllischen, utopischen Bergwelt kokettieren, sich selbst zitierend mittels Hotelbauweise, Kneipeninneneinrichtung die ganze Bergwelt in einer Disco! und technisch gewartetem Gletscher. Ausserdem verbleibt jederzeit die Möglichkeit, die (Bühnen-)Seite zu wechseln, also die Lederhose (wieder so ein Bild) gegen städtische Klamotten zu wechseln und umzuziehen. Sie sind dann nicht mehr so ohne weiteres als BergbewohnerIn zu erkennen, können also den ihnen permanent zugeschriebenen und reproduzierten Bildern individuell entfliehen. Diese Option existiert für die meisten Bereisten in anderen Ländern nicht! Die zugeschriebenen Eigenschaften werden ihnen quasi in den Körper geschrieben und bilden eine komplexe Bühne verschiedener Deutungsmuster, die für den machtvoll ausgestatteten Betrachter und Touristen die Welt einleuchtend erklärt (so Robert Miles). Im Ensemble zur Produktion von Andersheit stellt Tourismus eine zentrale Institution dar, da es gerade Anliegen des Tourismus ist, Differenz erfahrbar (konsumierbar) zu machen. Differenz, die im Urlaub als angenehm und bereichernd angesehen wird, und auch die Welt der Bereisten einleuchtend erklärt, zu Hause jedoch als Bedrohung wahrgenommen wird, da man eben diese Zustände in den Bereisten Ländern nicht zu Hause haben will. Diese Ausführungen sollen keinesfalls den einen Tourismus bzw. Backstage-Bereich gegen den anderen in Stellung bringen, sondern eher die inhaltliche Diskussion bezüglich struktureller Gemeinsamkeiten und eben Differenzen schärfen, gerade in Bezug auf zukünftige verschiedene Stränge des Projekts. Womit wir auch beim nächsten und letzten Punkt wären, der Diskussion am Sonntag. Die gemeinsame Diskussion über den weiteren Projektverlauf und zukünftige Schwerpunktsetzungen hat ja leider in der wohl angestrebten Form nicht stattgefunden. Das lag sicher zum einen an dem oben beschriebenen fehlenden Herauskristallisieren zentraler Fragestellungen, um die sich herum Arbeitsgruppen bilden könnten. Es schien vielmehr eine Fülle verschiedener Einzelprojekte vorhanden zu sein. Zum anderen lag es möglicherweise daran, dass viele TeilnehmerInnen und Beiträge quasi in einer Antragssituation waren, indem sie ihr spezielles Projekt vorgestellt haben und die Entscheidung des weiteren Projektverlaufs an Euch delegiert haben. Neben der sich ja bereits abzeichnenden Schwerpunktsetzung Dark Tourism und der Raumbespielung im Sommer in Graz (möglicherweise ums Thema Städtetourismus?) wäre für uns interessant, eine Debatte um die Themen Rassismus/Bildproduktion/Exotismus sowie Tourismus Migration weiterzuentwickeln. Die von Euch im Expose skizzierten Phänomene wie etwa der Begegnung von migrantischem Personal und TouristInnen gleichermaßen in der Fremde, oder in entgegenläufigen Bewegungen von TouristInnen und MigrantInnen, könnten Ausgangspunkt einer solchen Debatte sein. Zahlreiche eingereichte Abstracts und Projektvorstellungen thematisieren genau diese Wechselwirkung und gegenseitige Beeinflussung von Migration und Tourismus. Insbesondere sehen wir, dass hier der Tourismus sehr stark in andere Sektoren eingreift und in gewisser Weise eine Art Vorreiterrolle postmoderner Regime spielt. Die grenzenlose Produktion von diversen Images einerseits, ihre Manifestation in politischen Entscheidungs- und Gestaltungsfreiräumen bzw. Entscheidungs- und Gestaltungszwängen andererseits, der Blick auf genau diesen Zusammenhang bringt dann die Füße wieder auf den Boden. Eine solcher Fokus reduziert die Gefahr, in der postmodernen Hyperrealität und dem Allzusammenhang mit ihren scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten ins Beliebige zu entschweben. Hier möchten wir uns lediglich gegen eine Vernachlässigung der nicht-diskursiven, materiellen Ebene aussprechen und an den realitätskonstituierenden Effekt von diskursiven Konstruktionen erinnern. Oder anders formuliert: Der am Wochenende ziemlich häufig gefallene Verweis, es käme immer darauf an, wer Regie führe, reicht da einfach nicht aus, kann nicht der Endpunkt der Debatte sein. Welche konkreten Bedingungen und gesellschaftlichen Machtverhältnisse geben den Spielraum vor? Zwar darf hier Regie geführt werden, den Rahmen jedoch bestimmen andere. Erst hier wird die Frage für uns spannend im Sinne von herrschaftskritisch. Denn eben an diesem Punkt ist der Tourismus nicht nur Bühne, die ohnehin existierende Verhältnisse wiederspiegelt, sondern auch Akteur Tourismus entfaltet diskursive und materielle Macht. Gerne schreiben wir zu unserem hier angedeuteten Vorschlag ein kleines Paper, um die Fragestellung zu konkretisieren und aufzuweiten. Da wir als EU finanziertes Projekt ja ohnehin an dem Thema arbeiten, wäre hier eine Überschneidung mit dem Backstage Projekt sicherlich eine auch finanziell machbare Sache. Fürs erste könnten wir uns vorstellen, eine Arbeitsgruppe dazu nach Freiburg einzuladen - vorausgesetzt es gibt Interessenten. herzliche Grüße Das Unbehagen im Multikulturalismus. Rassismus als Symptom des globalen Kapitalismus. Slavoj Zizek. In: Das Argument 224, 1998. S. 51-63. Die Politik der Verortung. Eine Postkoloniale Reise zu einer Anderen Geographie der Welt. Julia Losseau. Bielefeld 2002. Flaneure, Spieler und Touristen. Essays zu postmodernen Lebensformen. Zygmunt Bauman. Hamburg 1997. Im Handgepäck Rassismus. Beiträge zu Tourismus und Kultur. Martina Backes; Stephan Günther, Tina Goethe und Rosaly Magg. iz3w 2002. www.iz3w.org Meilensteine und Fallstricke der Tourismuskritik. Martina Backes und Tina Goethe. In: Peripherie 89, 2003. Mit weißem Blick. Bilderwelten im Reisekatalog. Jessica Olsen. In: Backes et al. (ebd.) Psychologie des Rassismus. Mark Terkessidis. Opladen 1998. Rassismus als ideologischer Diskurs. Stuart Hall. In: Räthzel, Nora (Hg.): Theorien über Rassismus. Hamburg 2000. zurück <<<
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