Freitag, 2. Juli 2004 um 20.00
Ausstellungseröffnung
Background
Tourismus ist bekanntlich einer der Hoffnungsmärkte schlechthin nicht nur für Regionen, sondern auch für die Kulturindustrie. Tourismus ist aber nicht im Singular zu betrachten. Je nach Motiv und Kultur gibt es unterschiedliche Formen von Tourismen.
Neben der Flucht vor dem Alltag ob in die selbst gewählte Einsamkeit oder zum Megaevent, ob aus Sehnsucht nach Exotischem, nach Fremdem oder nach Erlebnissen in einer vertrauten Gruppe, ob wegen Bildung oder Ballermann scheint ein zentrales Motiv immer populärer zu werden: die intensivierte Erfahrung des eigenen Körpers.
Es entstehen allen Ortens Wellness Zonen, Wellness Oasen oder gar Wellness Welten! In Bars, Hotels, sogar in Bordellen, am Land oder in der Großstadt, in zwischenstädtsichen Agglomerationen, am Meer oder in den Alpentälern.
Im Zentrum dieser neuen touristischen Attraktionen steht ganz einfach nur kuschelig warmes Wasser, bestenfalls mit Heil- und Entschleunigungskraft, "das seine volle Wirkung erst nach längerem Ruhen entfaltet. Die Tiefenentspannung wird zusätzlich durch das unverwechselbare Ambiente des Gebäudes, seine Licht durchfluteten Hallen und seine einmalige Lage gesteigert... Für abwechslungsreiche Unterhaltung und gute Stimmung nach der Entspannung sorgt dann die hauseigene Bar."
So könnte tatsächlich ein Wellnesshotel beworben werden. Im Wettbewerb mit anderen Betrieben scheinen immer mehr Elemente aus der Landschaftsgestaltung und auch aus der Bildenden Kunst für die Gestaltung und Bewerbung herangezogen zu werden. Das ist gar nicht verwunderlich.
Denn für die Produktion des “besonderen Ortes” mit exklusivem Ambiente müssen die aus der Medizin und Hygiene stammenden Technologien mit kulturellen Inszenierungen kombiniert werden. Erholung vom Arbeitsalltag stellt sich nicht mehr nur durch das “Naturerlebnis” ein. Aufwändige Infrastrukturen, exotische Heilverfahren, raffinierte Details in der Gestaltung, ein ausgefeiltes Marketing und eine Menge unsichtbarer reproduktiver Arbeit im Hintergrund sind notwendig, um die gewünschten Effekte zu erzielen.
Freizeit- und Ferienanlagen werden auf Subjekte ausgerichtet, die es sich (noch) leisten können, ihre kurze Wochenend-Freizeit für die Stressbewältigung zu nutzen. Dabei sind Kontemplation und Überschreitung meist Teil desselben ausdifferenzierten Angebots, das die Sehnsüchte nach Differenz befriedigen muss.
Installation:
Anlässlich einer Ausstellung im Forum Stadtpark im Sommer 04 haben wir als Reaktion auf seine spezifische Lage inmitten eines Parkes dessen Hauptraum zu einer Wellness Oase umgebaut:
Die Gestaltungselemente dafür wurden der Kunstproduktion anderer Künstler (und der die Kunst gerne plündernden Architekten) entlehnt: aus Konzept Kunst, Minimal und Land Art, aus vormals „avantgardistischen“ Kunstformen, die mittlerweile tatsächlich als Aufwertungs- und Distinktionswerkzeuge im Lokal-, Boutiquen- und Thermendesign etabliert sind.
Auch die Koketterie mit ärmlichen Materialien hat sich von der Arte Povera zu einem mittlerweile tradierten Mittel der Distinktion im Design von Gebäuden entwickelt. In unserem „Design“ wurde daher statt eines massiven Naturstein-Mauerwerks nur eine leichte Stellwand aus Wellkarton errichtet und mit Bitumenpapier (Dachpappe) verkleidet. Auch die Findlinge im Zen-Garten sind nicht „echt“ sondern ebenfalls aus Pappe. Trotzdem funktioniert die auratische Wirkung des Designs. Die Blicke auf den Liegen werden über den Zengarten in der verglasten Glassapsis auf den Springbrunnen im Stadtpark gerichtet. Gestört wird der Aura nur die im Park lungernden Punks, die aber ein geschulter touristischer Blick auszublenden weiß und wenn nicht, dann weiß sich der Gast in seinem sozialen Distinktionsbedarf bestätigt. Er ist drinnen, die Punks (hoffentlich?) draußen.
Die unsichtbare reproduktive Arbeit im Hintergrund ist hier symbolisch nach vorn gezerrt worden: als Audioinstallation im Außenbereich, und als Ablagerung von Werkzeugen in einem schmalen Spalt, der durch Errichten einer Wand zwischen dem Eingang vom Foyer und der eigentlichen „Therme“ hergestellt wurde. Die Besucher betreten daher zu erst die Hinterseite des Bühnenbildes, bevor sie in die gereinigte kontemplative Halle vordringen, in der absolute Stille herrscht und der sie nur Mineralwasser zu sich nehmen dürfen.
Als Kontrast dazu wurde die winzige Cafeteria der Bibliothek zu einer sexuell aufgeladenen rustikal überladenen Tirolbar ausgebaut, in der klarerweise Alkohol ausgeschenkt wurde.
Konzept und Gestaltung Hauptraum : Michael Hieslmair, Marion von Osten, Peter Spillmann, Michael Zinganel
Tiroler Stube: Barbara Larcher
Im Außenbereich: Gastro-Backstages eine Audio- und Fotoinstallation basierend auf authentischen Tonspuren aus den backstage Bereichen Grazer Gastronomieküchen. Kitzberger/Rohrmoser/Vieregg
21.30
Filmvorführung auf der Dachterrasse
Christoph Oertli, NOSUNDAYNOMONDAY, CH 1997, 58 Min.
Ein Schiff fährt um die Welt. Während auf den Oberdecks die Suche nach dem Fremden die Menschen vergnüglich begleitet, arbeiten Stockwerke unter ihnen eben jene Fremden, die ihr Land verlassen mussten, weil die sozialen Verhältnisse dort ein Überleben nicht mehr garantieren konnten. Die Besatzung besteht aus über 300 Angestellten aus 21 Ländern, 3/4 davon aus den Philippinen. Hinter schweren Metalltüren führen schmale Treppen hinunter; jenseits der perfekt gestalteten Urlaubswelt für begüterte Passagiere befindet sich die beklemmende Unterwelt. Auf 180 Metern Länge und 25 Metern Breite drängt sich hier die Kehrseite einer eigentlichen Stadt auf hoher See. Der Film zeigt eine unbekannte Realität in Nahaufnahme, eine Welt im Kleinen, deren Bezüge zum Leben auf unserem Planeten, den das Schiff umfährt, nicht vielfältiger und aktueller sein könnte.
22.00
Backstage*PartyAfter-Work Party
für und mit Personal aus Grazer Gastrobetrieben
Ein ausführlicher Katalog Backstage*tours ist seit Januar 2005 erhältlich.
Dauer der Ausstellung:
2. Juli - 22. August 2004
Öffnungszeiten der Ausstellung:
Dienstag bis Freitag, 10.00 - 18.00, Samstag, Sonntag und Feiertage, 14.00 - 18.00, Montag geschlossen
FORUM STADTPARK
Stadtpark 1
A - 8010 Graz
tel.: +43 316 827734
fax: +43 316 827734-21
http://forum.mur.at
Das Forum Stadtpark wird unterstützt
vom Kulturamt der Stadt Graz, Bundeskanzleramt und der Kulturabteilung der Steiermärkischen Landesregierung.
Wellness World I wurde ermöglicht durch die Unterstützung von Vöslauer Mineralwasser, Vossen Frottee, MEWA Mietwäsche und Murauer Bier.
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Dienstag, 13. Juli 2004 von 17.00 18.00
On Air auf Radio Helsinki, FM 92,6
Radiosendung von Kitzberger/Rohrmoser/Vieregg auf Basis von authentischer Tonaufnahmen aus Grazer "Gastro-Backstage"-Bereichen.
Dank an: Brot & Spiele, Don Camillo & Peppone, Gambrinus Keller, Heimo's Alte Press, Im Fünften - Restaurant Steirerhof, Landhaus Keller, Omoka - African Restaurant, Restaurant Osaka, Taj Mahal, Traminer Weinstube, Zu den 3 goldenen Kugeln.
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Geschichte und Projektverlauf
Auf diesen Seiten finden Sie zuerst den "Call for Entries", der dem Projekt voraus gegangen war, sowie alle darauf folgende inhaltlich relevante Kommunikation zum Projekt.
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